Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Gesundheit

Aufgaben für globale Gemeinschaft

Vom medizinischen Fortschritt profitieren arme Menschen in tropischen Ländern am wenigsten. Internationale Experten fordern, das müsse anders werden.
Die Mückenart Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke) kann unter anderem Gelbfieber und Dengue übertragen. Roger Eritja/Lineair Die Mückenart Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke) kann unter anderem Gelbfieber und Dengue übertragen.

Viele Infektionskrankheiten können inzwischen besser behandelt werden als noch vor ein paar Jahren. Der im September erschienene Abschlussbericht des von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einberufenen High-Level Panel on Access to Medicines (2016) hält darüber hinaus fest, dass Präventionen zuverlässiger vor Bakterien, Viren oder Parasiten schützen als früher. Auch die Makro- und Nanotechnologie schreite voran.

Derweil kritisieren die Autoren, dass nicht alle Menschen von dem Fortschritt profitieren. Viele Menschen – vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen – hätten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Hohe Pharmapreise stürzten viele Menschen in die Armut. Das Menschenrecht auf Gesundheit kollidiere immer wieder mit Investorenrechten.

Das UN-Panel stellt das grundsätzliche Profitinteresse von Investoren ebenso wenig in Frage wie das Recht auf intellektuelles Eigentum. Es fordert aber einen sinnvollen Ausgleich mit dem Recht auf Gesundheitsversorgung. Das entspricht auch den Sustainable Development Goals der UN.

Um die SDGs zu erreichen, fordert der UN-Bericht Regierungen zum Handeln auf mehreren Ebenen auf. Regierungen müssten Verantwortung übernehmen und für Transparenz im Gesundheitswesen sorgen. Nötig sei, die Leistungen mit Blick auf die Erfüllung der Menschenrechte zu prüfen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Außerdem sollten Staaten Datenbanken über Patente einrichten und dafür sorgen, dass Forschungsergebnisse bekanntgemacht werden.

Geistiges Eigentum verdient dem Bericht zufolge Schutz. Allerdings weist das Panel darauf hin, dass Staaten laut den Regeln der Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) Zwangslizenzen für die Herstellung von patentgeschützten Mitteln erteilen dürfen, um die Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung („Public Health“) sicherzustellen. Dieses Recht müsse genutzt werden.

Vor diesem Hintergrund heißen die Experten es dann auch willkommen, wenn Unternehmen sich auf freiwillige Lizenzvereinbarungen einlassen, um Pharmazeutika erschwinglich zu machen. Dabei könne die Industrie für bestimmte Länder oder Weltregionen bestimmte Konditionen festlegen. Klar sei allerdings auch, dass die Verhandlungsmacht der Unternehmen steige, wenn Regierungen von ihrem Recht, Zwangslizenzen zu erteilen, keinen Gebrauch machten.

Der UN-Bericht plädiert auch dafür, mehr in Forschung und Entwicklung („F&E“) zu investieren. Dabei dürfe diese Aufgabe nicht nur der Industrie überlassen bleiben. Das UN-Panel betont die Bedeutung öffentlich finanzierter Forschung und fordert, diese auszuweiten. Wissenschaftler sollten sich stärker um bisher vernachlässigte Krankheiten kümmern, deren Behandlung der Pharmaindustrie nicht lukrativ erscheine. Für marktorientierte Forschung seien viele Tropenkrankheiten kaum relevant. Deshalb sollten als Anreizsystem nicht nur Patente genutzt werden, die Innovatoren hohe Gewinne sichern, sofern denn Patienten ausreichende Kaufkraft haben und über Versicherungen mobilisieren können.

Alternativen zu geistigen Eigentumsrechten könnten beispielsweise einmalige Prämien für erfolgreiche Forschungsergebnisse sein. Dafür könnten beispielsweise „Meilensteine“ festgelegt werden, bei deren Erreichen Geld fließe. Als Push-Mechanismus empfiehlt das UN-Panel im Voraus bezahlte staatliche Zuschüsse. Interessante Möglichkeiten erkennen die Fachleute in der Zusammenarbeit mit Investmentfonds, Public-private-Partnerships (PPPs) und sonstiger Netzwerkbildung.

Ein weiteres zentrales Anliegen des Berichts betrifft die Personalausstattung des Gesundheitswesens. Ärzte und Krankenschwestern seien nötig, damit Patienten Versorgung nach aktuellem Wissensstand bekommen könnten.


Antibiotika-Resistenzen global bekämpfen

Im Auftrag der britischen Regierung haben Wissenschaftler Möglichkeiten gesucht, um gegen weltweit zunehmende Antibiotika-Resistenzen vorzugehen (siehe auch Aufsatz von Christian Wagner-Ahlfs zum Thema). Die Leitung der Review on Antimicrobial Resistance (AMR) übernahm der Ökonom Jim O’Neill. Der Abschlussbericht erschien im Mai 2016.

In dem Bericht werden die Resistenzen als globales Problem betrachtet. Auswirkungen seien weltweit spürbar – und bedrohten auch künftige Generationen, betont O’Neill. Betroffen seien jedoch vor allem ärmere Länder.

Antibiotika werden in Industrieländern oft unnötig vergeben, indes fehlen sie anderorts, wie der Bericht kritisiert. Unnötiger Antibiotika-Einsatz sei bei Mensch und Tier zu vermeiden, und dafür seien genauere Diagnosen sinnvoll. In der Tierhaltung würden zu viele Antibiotika eingesetzt, und der Verzehr der Lebensmittel beschleunige dann die Herausbildung resistenter Erreger. Globale Kampagnen sollten Bewusstsein für das Thema wecken.

Jedenfalls müssen den Wissenschaftlern zufolge neue Antibiotika entwickelt werden, um alte mittlerweile resistente Medikamente zu ersetzen. Doch nicht nur in die Entwicklung neuer Antibiotika, auch in die Forschung laufender Behandlungen solle investiert werden. Wie das UN-Panel plädiert auch diese Expertengruppe dafür, Anreize für Investoren zu schaffen und sich dabei nicht nur auf das Patentrecht zu verlassen. Propagiert werden internationale Zusammenschlüsse, Public-private Partnerships und die Einrichtung eines globalen Fonds für nichtkommerzielle Forschung.

Die Forscher loben bestehende Programme, die AMR entgegenwirken – zum Beispiel den Fleming Fund des Vereinigten Königreichs oder den Global Innovation Fund. Globale Fonds müssten weltweit ausgebaut werden, und dabei müsse die Politik Verantwortung übernehmen.


Tropenkrankheiten werden vernachlässigt

Dass mehr zur Bekämpfung von Tropenkrankheiten geschehen muss, ist lange bekannt (siehe auch Beitrag von Sheila Mysorekar). 2015 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO) einen Bericht zum Thema und nannte 17 vernachlässigte Tropenkrankheiten: Buruli, Chagas, Denguefieber, Dracontiasis, Echinococcosis, Frambösie, Trematodiasis, Afrikanische Trypanosomiasis (Schlafkrankheit), Taeniasis und (Neuro-)Zystizerkose, Leishmaniose, Lepra, Lymphatische Filariose, Onchozerkose, Tollwut, Schistosomiasis (Bilharziose), Helminthiasis und Trachom.

Die WHO betrachtet diese Krankheiten als globale Herausforderung, da sie durch Urbanisierung, Migration und Umweltveränderungen in Gegenden vordringen, wo sie bislang nicht verbreitet waren. Übertragen werden sie durch Gliederfüßer, wie Insekten, Spinnen oder Krebse. Diese Vektoren gelte es zu kontrollieren. Dafür müsse auf Mensch, Tier und Umwelt ganzheitlich geachtet werden.

Die WHO schlägt insbesondere Handeln auf fünf Feldern vor, um gegen Tropenkrankheiten weltweit vorzugehen:

  • innovativeres und intensiveres Gesundheitswesen,
  • mehr präventive Behandlung (etwa durch Chemotherapie),
  • Vektormanagement unter Berücksichtigung der ökologischen Zusammenhänge,
  • Veterinärmedizin (veterinary public health – VPH) und
  • Sicherstellung von Wasser- und Sanitärversorgung.

Wie das High-Level Panel der UN und die britische Expertengruppe stellt auch die WHO den Zusammenhang von Armut und Krankheit heraus. Vernachlässigte Krankheiten kämen vor allem in Tropenländern vor, die in der Regel nicht zu den hochentwickelten Nationen gehören. Marktdynamik allein löse die Probleme nicht. Bis 2030 will die WHO deshalb zusammen mit der Weltbank die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass:

  • weltweit mindestens 80 Prozent der nötigen lebenswichtigen Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und
  • die Anbieter dieser Leistungen sicher sein können, dass sie bezahlt werden.

Die WHO fordert engere Zusammenarbeit von internationalen Investoren mit den Menschen vor Ort. Tropenkrankheiten müssten ein integraler Bestandteil der nationalen Gesundheitspolitik werden. Zudem gelte es, lokale Investoren zu mobilisieren.

Der WHO-Bericht benennt nicht nur Probleme, sondern auch Erfolge. Mehr als 70 Länder haben demnach bereits Strategien zur Eindämmung der Tropenkrankheiten beschlossen. Mehr als 800 Millionen Menschen seien 2012 und 2013 von solchen Krankheiten geheilt worden. Ein Netzwerk von afrikanischen Ländern habe das Auftreten von afrikanischer Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) um bis zu 90 % reduziert.


Lea Diehl studiert Kulturwissenschaft und Philosophie in Marburg.
lea.diehl@posteo.de
 

Quellen

Review on Antimicrobial Resistance, 2016: Tackling drug-resistant infections globally – Final report and recommendations.
http://amr-review.org/sites/default/files/160518_Final%20paper_with%20cover.pdf

WHO, 2015: Investing to overcome the global impact of neglected tropical diseases – Third WHO report on neglected tropical diseases.
http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/152781/1/9789241564861_eng.pdf

United Nations Secretary-General’s High-Level Panel on Access to Medicines, 2016: Report - Promoting innovation and access to health technologies.
http://www.ip-watch.org/weblog/wp-content/uploads/2016/09/HLP-Access-to-Medicines-Final-Report-Sept-2016.pdf