Verbitterte Rivalen

Die Wahl des Volks

Wenn Kenyatta überhaupt Präsident wird, hat er bestimmt keinen leichten Start – soviel stand drei Wochen nach Kenias Wahl fest.
Schlange vor einem kenianischen Wahllokal. picture-alliance/AP photo Schlange vor einem kenianischen Wahllokal.

Das Leben in Kenia stand eine ganze Woche still. Die Wahl war vorbei, aber die elektronische Auszählung versagte. Während manuell gezählt wurde, klebten die Menschen an Fernsehern, Radios und Internetzugängen. Viele waren nicht nur neugierig auf das Ergebnis, sie hatten auch Angst vor Gewalt. Nach der vorherigen Wahl Ende 2007 starben bei ethnischen Unruhen in drei Monaten mehr als 1000 Menschen; über eine halbe Million wurden vertrieben. Die brutalen Exzesse endeten erst, als der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan einen fragilen Frieden aushandelte: Mwai Kibaki blieb Präsident, und sein Gegenspieler Raila Odinga wurde Premierminister.

Dieses Mal trat Raila Odinga gegen Uhuru Kenyatta an, der zuletzt sein Stellvertreter war. Die beiden haben viel gemeinsam: Ideologisch liegen sie nicht weit auseinander, doch unterstützt werden sie hauptsächlich von ihrer eigenen Ethnie (Kenyatta ist Kikuyu, Odinga Luo). Ihre Väter waren Führer der Unabhängigkeitsbewegung – Jomo Kenyatta war der erste Präsident Kenias, Jaramogi Odinga sein Vize. Sie überwarfen sich aber bald.

Zum Jahreswechsel 2007/2008 brachen die Krawalle aus, als Raila Odinga die Wahlergebnisse öffentlich anzweifelte, denen zufolge er nur Zweiter geworden war. Uhuru Kenyatta ist wegen Verwicklung in die bürgerkriegsähnlichen Wirren, die folgten, vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.

Positiv ist, dass die Wahl dieses Mal – abgesehen von einzelnen Vorfällen – friedlich verlief. Stundenlang standen Bürger Schlange, um teilzunehmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 86 Prozent. Davon können viele westliche Länder nur träumen. Das Engagement der Kenianer war umso wertvoller, als diesmal sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene gewählt wurde. Eine Verfassungsreform führte 2010 in Kenia 47 Counties ein, um das Land politisch zu dezentralisieren, regionale Unterschiede auszugleichen und Amtsinhaber stärkerer Rechenschaftspflicht auszusetzen. Mit ihren frisch gewählten Volksvertretern können die Counties nun ihre Arbeit aufnehmen.

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl ist aber brisant. Uhuru Kenyatta wurde mit 50,07 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt. Odinga erhielt rund 43 Prozent, der Rest ging an die anderen Kandidaten. Das Ergebnis ist knapp, weil eine Stichwahl ­nötig ist, wenn der Sieger weniger als 50 Prozent erreicht. Odinga spricht unter anderem wegen der Computerfehler von Manipulationen. Er hat den Supreme Court aufgefordert, die Wahl zu annulieren. Zu Redaktionsschluss Ende März hatten die Richter Politikern weitere Stellungnahmen zum Thema untersagt, aber noch nicht entschieden, ob nochmal gewählt wird. Die meisten Menschen schienen an weiteren Urnengängen nicht interessiert. Sie waren erleichtert, eine schwierige Zeit heil überstanden zu haben. „Die Kenianer sind müde. Sie hoffen, dass es keine Stichwahl gibt“, sagte der Journalist Macharia Maina, „denn die Leute wollen zurück zur Arbeit. Sie wollen ihre Kinder wieder in die Schule schicken“. Aly Satchu Khan, ein führender Unternehmer meinte: „Die Menschen wollten nicht wie 2007/2008 auf die Straße gehen. Sie  waren nicht bereit, Massenaktionen zu tolerieren, die ihren Frieden stören. Und zum Glück haben die Politiker auch nicht dazu aufgerufen.“

Das Wahlergebnis schockiert indessen die internationale Gemeinschaft. Viele westliche Regierungen sehen mit Unbehagen, dass ein Mann gewählt wurde, der sich demnächst in Den Haag verantworten muss. Vor der Wahl hatten die Regierungen der USA und Britanniens ihre Sorge über einen möglichen Wahlsieg Kenyattas ge­äußert. Dass auch William Ruto, der Ken­yattas Vize werden soll, sich einem ICC-Verfahren stellen muss, macht die Sache noch schwieriger. Die Verhandlungen beginnen im Juli. Kenyatta hat versprochen, mit dem Gericht zu kooperieren. Es ist aber – vorsichtig formuliert – ausgesprochen heikel, wenn Kenyatta und Ruto als Landesväter und Angeklagte vor einem internationalen Gericht Doppelrollen spielen müssen.  

Beunruhigend bleibt auch, dass ethnische Zugehörigkeit Kenia weiterhin tief spaltet. Kenyatta und Ruto (ein Kalenjin) gewannen haushoch in ihren regionalen Hochburgen – in Odingas Heimat kam Ken­yatta nur auf 23 Prozent.
 

Sella Oneko ist Volontärin bei der Deutschen Welle in Bonn.
sella.oneko@dw.de

 

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