Entwicklung und
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Multilaterale Banken

Neustart mit Handicap

Zwei neue multilaterale Entwicklungsbanken verändern die Landschaft der internationalen Finanzinstitutionen (IFI). Für die Gründung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) und der New Development Bank (NDB) gab es mehrere Gründe. Die Schwellenländer signalisierten so ihre Unzufriedenheit über die Stimmrechteverteilung bei den etablierten IFI, und die neuen Banken können ihnen helfen, Infrastrukturlücken zu schließen.
K.V. Kamath (links), der erste Präsident der New Development Bank, mit Chinas Finanzminister Lou Jiwei und Shanghais Bürgermeister Yang Xiong (rechts) bei der Eröffnungsfeier des neuen internationalen Finanzinstituts in Shanghai im Juli 2015. picture-alliance/dpa K.V. Kamath (links), der erste Präsident der New Development Bank, mit Chinas Finanzminister Lou Jiwei und Shanghais Bürgermeister Yang Xiong (rechts) bei der Eröffnungsfeier des neuen internationalen Finanzinstituts in Shanghai im Juli 2015.

Im Januar dieses Jahres hat die AIIB mit einem gezeichneten Einlagen­kapital in Höhe von 100 Milliarden Dollar in Peking das Geschäft aufgenommen. Ihr größter Anteilseigner ist China mit fast 30 Milliarden Dollar Kapitalbeteiligung. Wichtige Anteilseigner sind aber auch europäische Staaten, wie Deutschland (4,5 Milliarden Dollar), Frankreich (3,4 Mil­liarden), Britannien (3,1 Milliarden) und Niederlande (1 Milliarde). So signalisiert Europa, dass es die bedeutende Rolle Chinas für Global Governance ernst nimmt. Interessanterweise sind aber die USA und Japan nicht dabei.

Im Juli 2015 hat die NDB ihre Arbeit aufgenommen. Sie wurde von den Regierungen der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) mit gleich hohen Kapitalanteilen in Höhe von jeweils 10 Milliarden Dollar ins Leben gerufen. Alle Mitglieder haben entsprechend dasselbe Stimmrecht. Andere UN-Staaten können laut Satzung künftig Mitglied werden. Das wäre ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung der NDB und zur Beteiligung von Kreditnehmern (Griffith-Jones 2014).

Das Startkapital der AIIB von 100 Milliarden Dollar ist doppelt so hoch wie das der NDB. Zum Vergleich: Die mit der AIIB vergleichbare Institution der Weltbankgruppe – die International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) – hat ein gezeichnetes Kapital von knapp 212 Milliarden Dollar.

Die beiden neuen Entwicklungsbanken sind unter anderem Ausdruck der neuen Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft, die bisher nicht ausreichend in den bestehenden Internationalen Finanzinstitutionen berücksichtigt werden (Berensmann 2016; Reisen 2015). EU-Mitglieder sind gemessen an ihrer Wirtschaftskraft in den Gremien der etablierten IFI überrepräsentiert. Das gilt besonders für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank (siehe Beitrag von Fernando J. Cardim de Carvalho in E+Z/D+C e-Paper 2016/03).

Selbst unter Berücksichtigung der aktuellsten Governance-Reform beim IWF und der IBRD (Weltbankgruppe) haben die EU-Staaten mit rund 27 Prozent noch mehr als doppelt so viele Stimmen wie die fünf BRICS-Staaten mit rund 12 Prozent beim IWF und circa 13 Prozent bei der IBRD. Dabei lag die Wirtschaftsleistung der EU-Staaten laut IWF-Schätzung 2015 sogar unter der der BRICS: Die EU kam demnach auf circa 16,3 Billionen Dollar und die BRICS auf 16,9 Billionen Dollar.

Auch bei der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) verfügen China und Indien nur über relativ kleine Stimmrechtsanteile. China kommt auf 5,5 Prozent und Indien auf 5,4 Prozent. Japan und die USA haben je rund 12,8 Prozent der Stimmrechte, gehören aber nicht zu der Region, in der die ADB Geld vergibt. Bei AIIB und NDB übernehmen China und die anderen BRICS dagegen Führungsrollen.


Große Aufgaben

Die beiden neuen Banken sollen vor allem mit langfristigen Krediten Programme und Projekte finanzieren, die der private Sektor wegen hoher Risiken gar nicht oder nur zu ungünstigen Konditionen finanzieren würde. Obendrein sollen sie wie die etablierten IFI zwei wichtige Servicefunktionen übernehmen: Wissensvermittlung und Koordinierung von internationalem Handeln.

Die AIIB und die NDB haben komparative Vorteile gegenüber anderen Geldgebern. Dank regionalspezifischem Wissen können sie gute Lösungen entwickeln, die örtlichen Gegebenheiten entsprechen. Zudem können sie wie andere öffentliche Entwicklungsbanken mit ihrem Geld zusätzliches privates Kapital für entwicklungspolitische Zwecke mobilisieren.

Ein Schwerpunkt beider Banken soll auf Infrastrukturprojekten liegen. Dabei fokussiert die AIIB besonders auf Strom­erzeugung und -übertragung, Verkehr und städtische Bauprojekte. Der schwächelnden Konjunktur in China und anderen Ländern könnten solche Investitionen nötige Wachstumsimpulse geben. Die Unternehmensberatung McKinsey (2014) schätzt die Kosten des urbanen Infrastrukturbedarfs allein für Südostasien 2030 auf 7 Billionen Dollar.

Bislang ist indessen unklar, ob die beiden neuen Banken sich an die Sozial- und Umweltstandards halten werden, welche die anderen multilateralen IFI sich auferlegen (siehe auch Beitrag von Korinna Horta in E+Z/D+C e-Paper 2016/03). Viele Schwellenländer haben sich bisher immer wieder gegen strenge Auflagen gewehrt. Daher besteht die Gefahr, dass im Wettbewerb der Entwicklungsbanken bestehende Standards in einer Abwärtsspirale aufgeweicht werden. Die Beteiligung westlicher Staaten an der AIIB dürfte dazu beitragen, dieses Risiko einzudämmen (siehe Interview mit Hans-Joachim Fuchtel in E+Z/D+C e-Paper 2016/03). Einheitliche Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards für alle IFI wären aber sicherlich sinnvoll (Wolff 2015).

Damit die neuen Entwicklungsbanken solvent bleiben, müssen sie ihr Kapital in rentable Projekte und Programme in­vestieren. Der Erfolg kann zwar erst nach einigen Jahren Geschäftstätigkeit beurteilt werden, wichtige Risiken sind aber schon abzusehen.

AIIB und NDB werden einen Schwerpunkt auf Infrastrukturfinanzierung legen, aber solche Vorhaben sind mit vielen Beteiligten und Betroffenen häufig komplex. Zudem generieren sie erst nach vielen Jahren Gewinne, wohingegen die erste Phase besonders risikobehaftet ist (Ehlers 2015).

Unklar ist zudem die Refinanzierungsfähigkeit der beiden neuen Entwicklungsbanken. Die etablierten multilateralen Entwicklungsbanken nehmen an den Kapitalmärkten Geld („Marktmittel“) auf, mit dem sie nichtsubventionierte Kredite für ihre Kunden finanzieren (Langhammer 2014). Dafür ist die Einschätzung ihrer Bonität („Rating“) durch Fachfirmen wie Standard & Poor’s relevant. Das Rating bestimmt mit über die Höhe der Zinsen, die für Marktmittel bezahlt werden müssen. Je besser das Rating ist, desto niedriger sind die Zinsen und desto einfacher ist die Refinanzierung.

Ein wesentliches Kriterium für das Rating der Entwicklungsbanken ist das Rating ihrer Mitgliedsländer, den Kapitalgebern. Die Weltbank hat beispielsweise das beste Rating („AAA“) und bekommt Marktmittel entsprechend günstig. Dieses Geld kann sie dann mit geringem Aufschlag an ihre Mitglieder weitergeben.

Die Ratings von NDB und AIIB hängen von verschiedenen Faktoren ab. Je höher der Anteil der Kapitalgeber mit hohem Rating ist, desto besser wird ihr Rating ausfallen. Unter den BRICS-Ländern hat aber nur China ein Rating („AA-“ von Standard & Poor’s), das relativ günstige Mittelbeschaffung ermöglichen würde. Die NDB wird sich also mit der Refinanzierung schwerer tun als die etablierten IFI.

Die AIIB, die mehrere Mitglieder mit guten Ratings hat, wird besser dastehen – aber auch sie wird höhere Refinanzierungskosten haben als etwa die Asiatische Entwicklungsbank, deren große Anteils­eigner aus den OECD-Ländern über gute Länder-Ratings verfügen. Als relevant kann sich aber bei beiden neuen Instituten auch noch erweisen, dass China immense Devisenreserven hat, welche Peking ihnen zur Verfügung stellen könnte (Berensmann 2016).

Sicherlich werden beide neuen Entwicklungsbanken dazu beitragen, den hohen und bisher bei weitem nicht gedeckten Finanzierungsbedarf für In­vestitionen in öffentliche Güter in Schwellen- und Entwicklungsländern zu decken – besonders in der Infrastruktur. Wie erfolgreich sie das tun werden, bleibt aber abzuwarten.


Kathrin Berensmann ist Ökonomin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.
kathrin.berensmann@die-gdi.de


Quellen

Berensmann, K., 2016: Chancen und Risiken der neuen multilateralen Entwicklungsbanken. Diplomatisches Magazin 4/2016, April.
Ehlers, T., 2014: Understanding the Challenges for Infrastructure Finance. Bank for International Settlements, Monetary and Economic Department, August 2014, Basel.
McKinsey Global Institute, 2014: Southeast Asia at the crossroads: Three paths to prosperity.
Griffith-Jones, S., 2014: A BRICS Development Bank: A Dream Coming true?, UNCTAD Discussion Paper No. 215, March 2014, Geneva.
Langhammer, R. J., 2014: Ein klares Signal  …  aber nicht viel mehr: Der BRICS-Bank fehlt noch ein Geschäftsmodell. In: Internationale Politik, Heft 9/10, S. 88–91. Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Reisen, H., 2015: Die Entwicklungsbanken der Schwellenländer und die multilaterale Finanzarchitektur. Wirtschaftsdienst, Springer Heidelberg, Band 95, Heft 4, S. 272–279.
Wolff, P., 2015: Zu viel Wirbel um Chinas neue Entwicklungsbank. German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 23. 03. 2015.
 

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