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Covid-19-Impfung

Covid-19-Impfung: Afrika darf nicht abgehängt werden

In Europa und Nordamerika ging es in der öffentlichen Debatte der vergangenen Wochen darum, wie schnell die Covid-19-Impfprogramme umgesetzt werden. In Afrika stellt sich die Frage, wann sie überhaupt beginnen könnten.
The pandemic is slowing down economic life: taking a person’s temperature in Accra, Ghana. Christian Thompson/picture-alliance/AA The pandemic is slowing down economic life: taking a person’s temperature in Accra, Ghana.

Anfang Februar konnte nur in Ägypten, Mauritius und Guinea geimpft werden. Guinea hatte laut Bloomberg Vaccine Tracker allerdings lediglich 55 Impfdosen verabreicht. In Mauritius waren es 207. Im Gegensatz dazu wurden in den USA bis zum 9. Februar 43 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs verabreicht. Die Vergleichszahlen waren 31 Millionen in China, 12 Millionen in Großbritannien und 3 Millionen in Deutschland.

Dieses Szenario ist inakzeptabel. Paul Kagame, der Präsident Ruandas, schrieb im Guardian: „Es gibt beunruhigende Anzeichen von Impfnationalismus in Europa und Nordamerika.“ Er betonte, dass Impfungen keine Almosen seien und warnte: „Solange die Afrikaner nicht die nötigen Covid-Impfungen bekommen, wird die ganze Welt darunter leiden.“

Dies ist aus mehreren Gründen richtig. Zum einen sind dort, wo Menschen nicht geimpft werden, Mutationen des Virus wahrscheinlich, die sich weiterverbreiten können. Außerdem ist die Angst vor der Pandemie ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Impfung ist wichtig, um die internationalen Versorgungsketten wiederaufzubauen. Viele Afrikaner sind zudem vom Tourismussektor abhängig. Da Urlauber aus wohlhabenden Regionen fernbleiben, verschärft sich die Armut.

 

Impfstoff-Rennen

 

Im Wettlauf um den Impfstoff wurde Afrika schnell abgehängt. Während sich die reichen Länder innerhalb weniger Wochen nach Entwicklung des Impfstoffs Millionen Dosen sicherten, verhandelt Afrika noch mit den Herstellern. John Nkengasong, Direktor der Africa Centres for Disease Control and Prevention (Africa CDC), bezeichnete die Situation als „diskriminierend“. Das Africa CDC ist eine Institution der Afrikanischen Union, die mit regionalen Zentren auf dem ganzen Kontinent kooperiert. Nkengasong fügte hinzu: „Menschen auf Basis ihres Herkunftslandes auszuschließen würde das Ziel des Impfprogramms, eine Herdenimmunität zu erreichen, zunichtemachen. Diese gibt es erst, wenn ein großer Teil der Bevölkerung immun gegen das Virus ist.“

Die Situation ist nicht hoffnungslos. Die im vergangenen Jahr im G20-Kontext gestartete Covax-Initiative hat sich verpflichtet, 20 Prozent der Menschen in Partnerländern zu impfen, und das schließt Afrika ein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll 600 Millionen Impfdosen liefern. Darüber hinaus hofft das Africa CDC auf weitere 270 Millionen Dosen. Das wäre ein guter Anfang, würde aber nicht ausreichen. Afrika hat eine Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen. Die Impfstoffe sollen erst ab April eintreffen. Ob alles wie geplant ablaufen wird, ist unklar.


Schleppender Start

In Nigeria, zum Beispiel, sollte die erste Charge von 100 000 Impfstoffen ursprünglich in der letzten Januarwoche geliefert werden. Inzwischen wurde sie auf Anfang Februar verschoben. Am 24. Februar warteten die 200 Millionen Menschen in Nigeria immer noch auf den Impfbeginn.

In Südafrika kündigte Präsident Cyril Ramaphosa im Januar an, dass 1,5 Millionen Dosen, mit denen etwa 750 000 Menschen geimpft worden wären, „in den nächsten Wochen“ eintreffen würden. Seine Politik ist nun ins Wanken geraten. Forscher haben festgestellt, dass der Impfstoff von AstraZeneca die Menschen nicht ausreichend vor der Coronavirus-Mutante schützt, die sich in seinem Land – und darüber hinaus – ausbreitet. Mitte Februar ging es dort dann mit  dem J&J Wirkstoff los. Als am 24. Februar Covax-Impfungen in Ghana begannen, liefen laut BBC nur in neun anderen Ländern Afrikas nationale Impfkampagnen.  

Es gibt mehrere Impfstoffe. Drei werden von multinationalen Pharmakonzernen mit Sitz in westlichen Ländern hergestellt. Alle drei wurden von den Aufsichtsbehörden nach internationalen Standards zugelassen. Auch Russland, Indien und China haben Impfstoffe entwickelt. Forschungen deuten darauf hin, dass sie wirksam sind, aber bis Anfang Februar waren sie noch nicht von der WHO, die sich an internationale Standards hält, zugelassen. Menschen auf der ganzen Welt bevorzugen Arzneimittel, die den Anforderungen der strengsten Regulierungsbehörden entsprechen. Der Einfluss und damit die Kriterien der WHO sind in Afrika sehr wichtig. Es wird für afrikanische Politiker schwierig sein, sich für andere Impfstoffe als die von der WHO empfohlenen zu entscheiden.


Afrikas Covid-19-Bilanz

Die Notwendigkeit, die Afrikaner vor dem Coronavirus zu schützen, ist nicht zu unterschätzen, auch wenn Afrika in Bezug auf Covid-19-Infektionen und Todesfälle besser dasteht als der Rest der Welt. Warum das so ist, ist nicht vollständig geklärt. Experten vermuten, dass das heiße Klima eine Rolle spielen könnte und dass Afrikas vergleichsweise junge Bevölkerung weniger betroffen ist. Außerdem sollen afrikanische Gesellschaften angesichts mehrerer Ebola-Ausbrüche gelernt haben, sich an Hygieneregeln zu halten.

Bis zum 9. Februar wurden in Afrika 3,7 Millionen Coronavirus-Fälle registriert, mit 3,2 Millionen Genesungen und nicht ganz 96 000 Todesfällen, wie der globalen Coronavirus-Tracker von Worldometer meldete. Auf das südliche Afrika entfiel fast die Hälfte der Fälle, wobei die meisten Infektionen in Südafrika registriert wurden. Vermutlich zeigen offizielle Statistiken aber nicht das ganze Bild. Die Gesundheitsinfrastruktur ist in den am wenigsten entwickelten Ländern und in abgelegenen Gegenden in Entwicklungs- und Schwellenländer besonders schlecht. Testkapazitäten hängen aber  von deren Qualität ab.

Wahrscheinlich wird also ein Teil der Covid-19-Fälle in Afrika gar nicht ärztlich diagnostiziert. Andererseits sind die Menschen über die Pandemie informiert. Mit  Mobiltelefonen kann sich auch die Landbevölkerung Gehör verschaffen, wenn eine Gesundheitskatastrophe eskaliert.


Neue Coronavirus-Varianten

Afrikanische Länder reagierten schnell auf die ersten Nachrichten über die Pandemie. Frühe Reisebeschränkungen und Lockdown-Maßnahmen halfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dennoch gibt es jetzt eine zweite Welle, und die Entdeckung neuer Covid-19-Varianten ist besorgniserregend. Im Winter stiegen die Infektionszahlen in Afrika. Am 28. Januar sagte Matshidiso Moeti, die WHO-Regionaldirektorin für Afrika, bei einer virtuellen Pressekonferenz: „In den vergangenen Wochen gab es einen kleinen Rückgang der Fälle in Südafrika, aber in 22 Ländern steigen die Fallzahlen weiter an.“ Ihr zufolge hatte sich die Zahl der Todesfälle in vier Wochen verdoppelt.

Afrika braucht einen wirksamen Schutz gegen die Krankheit. Das ist auch Aufgabe der Weltgemeinschaft. Politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt müssen ihre Bemühungen beschleunigen, damit dies gelingt. Wie der ruandische Präsident in seinem Zeitungskommentar schrieb, geht es hier nicht um Wohltätigkeit: „Alles, worum wir bitten, ist Transparenz und Fairness beim Zugang zu Impfstoffen, statt dem Protektionismus, der derzeit im Spiel ist.“ Die WHO solle die Zulassungsprozesse für Impfstoffe beschleunigen. Außerdem fordert er, dass bevölkerungsarme Länder die gleichen günstigen Pharma­preise bekommen, wie sie die EU oder die USA mit mächtigen multinationalen Konzernen ausgehandelt haben.


Ben Ezeamalu ist Journalist und arbeitet für die Premium Times in Lagos.
ben.ezeamalu@gmail.com
Twitter: @callmebenfigo